Unser langjähriges Vereinsmitglied Alfred Seppelt verstarb am 21.10.2015. Nachruf auf einen großen Gestalter des Berliner Schachlebens.
Alfred Seppelt ist am Mittwoch, den 21.10.2015 gestorben.
Er war nicht nur 20 Jahre Präsident des Berliner Schachverbandes (von 1984 bis 2004) sondern auch ein langjähriges Vereinsmitglied zunächst im SV Wilmersdorf, dann nach einem Auswärtsspiel bei Eckbauer, mit dem er deutscher Meister wurde, seit den 80er Jahren bei Lasker Steglitz.
Durch die Vereinigung der beiden Clubs SV Wilmersdorf und Lasker Steglitz zu unserem heutigen Verein, der Schachgesellschaft Lasker Steglitz-Wilmersdorf verbanden sich Anfang und Ende seiner Clubmitgliedschaft miteinander.
Alfred Seppelt ist seiner 4 Monate zuvor gestorbenen Frau Katharina Seppelt nachgefolgt. Sie war stets eine tatkräftige und charmante Unterstützung für Alfred Seppelt. Sie hat einen großen Anteil an den Leistungen von Alfred Seppelt für das Berliner Schachleben.
Die Trauerfeier mit anschließender Beisetzung findet am Dienstag, dem 3. November 2015 um 12:15 Uhr auf dem Luther- und Kreuz-Kirchhof in 12249 Berlin-Lankwitz, Malteserstraße 113-121, statt.
Der Vorstand der Schachgesellschaft Lasker Steglitz-Wilmersdorf
Alfred und Katharina Seppelt
(Foto: Dagobert Kohlmeyer)
Nachruf mit persönlichen Anmerkungen von Sebastian Müller
(ehemaliger Vorsitzender der SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf)
Ich selbst nahm ihn erstmals in den 80er Jahren wahr, als ich als junger Steppke bei Lasker das Schachspielen lernte. Regelmäßig tauchte er in seiner Rolle als Unternehmer des Schachs auf und pries den neuesten Informator, das neueste Schachmagazin 64 und andere Schachliteratur.
Er hatte wohl ein gutes Gespür als Verkäufer und strahlte die Faszination am Schach auch aus, waren doch ich und mein Bruder regelmäßig dabei, Taschengeld und mehr in Schachliteratur zu investieren.
Als Unternehmer hatte er übrigens schon früh ein gutes Händchen, war er als 17-jähriger einer, wenn nicht der jüngste Unternehmer in Berlin und viel später, als er ein paar Drogerie-Standorte nebst Großhandel aufgebaut hatte, erkannte er den richtigen Zeitpunkt, um sein Unternehmen zu verkaufen, bevor die Filialisten wie dm, Rossmann und Co den kleinen Drogerien das Leben schwermachten.
Zurück zum Schach: In einer Vereinsmeisterschaft damals in den 80ern haben wir auch die Klingen gekreuzt. Auf den Sieg, er hat mich wohl unterschätzt, war ich damals mächtig stolz. Immerhin war er ehemaliger Berliner Meister.
Als ich etwas größer wurde war mein Verhältnis zugegebenermaßen etwas zwiegespalten. Die langjährige Regentschaft des Präsidenten Alfred Seppelt erinnerte etwas an Helmut Kohl.
Eine gewisse Nervosität war an Alfred Seppelt zu beobachten, wenn bei einem Turnier "fliegende" Händler Schachbücher aus dem "Bauchladen" verkaufen wollten, er aber seinen offiziellen Verkaufsstand hatte.
Auch konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als bei einer vom Axel Springer Verlag sponsorierten Simultanveranstaltung mit dem ehemaligen Weltmeister Anatoly Karpow der legendäre Ralf-Axel Simon ein T-Shirt anhatte auf dem stand "Bild - nein danke".
Später sprach ich mit Alfred Seppelt auch über diese Begebenheit und er sagte, dass er es bevorzugt hätte, wenn jemand aus Protest dann einfach nicht mitspielt, als in der Veranstaltung den Protest vorzutragen. Immerhin hatte sich daraufhin der Axel-Springer Verlag vom Sponsoring des Berliner Schachs zurückgezogen und eine über lange Zeit eingefädelte Kooperation mit einer im Raum stehenden jährlichen Unterstützung des Berliner Schachs war vom Tisch.
Über die möglichen Formen von Protest kann man geteilter Meinung sein, aber ich fand das seine Bemerkungen dazu eine erstaunliche Gradlinigkeit zeigten und immer ohne ein persönliches Wort über jemanden zu verlieren. Er blieb immer bei der Sache, das fand ich erfrischend.
Der Respekt vor dem Lebenswerk und der Person Alfred Seppelt wuchs mit der Zeit. In den Jahren als ich Vorsitzender von Lasker war, suchte er mehr als einmal das Gespräch. Er nahm immer an der Hauptversammlung unseres Vereins teil. Er meinte, wenn er eingeladen sei, dann kommt er auch. Ich denke hier hat sich auch eine Seite gezeigt, dass er an Abmachungen und Organisationen in seiner positiven Kraft glaubte. Wenn abgestimmt wurde, war das Ergebnis bindend, auch wenn es nicht seiner Meinung entsprach.
Ich habe erst in dieser Zeit begriffen, dass er ein grundbescheidener Mensch war. Er befürchtete regelmäßig, dass seine Erzählungen nicht interessant genug seien. Er war sich bewusst, dass er teilweise Leute nervte, wenn er sie wiederholt auf das Thema Schach, Teilnahme an einem Turnier oder Sponsoring ansprach. Zudem hat er seine Funktionärstätigkeit damit begründet, dass er ja als Schachspieler nicht gut genug war und er das irgendwann erkannt hatte und deshalb nur das machte was er gut konnte: Organisieren. Er tat dies ohne damit zu kokettieren, dass er ja immerhin ein ehemaliger Berliner Meister war. Er glaubte wirklich, dass er als Schachspieler nicht richtig gut sei.
Im Folgenden möchte ich über die meiner Meinung nach drei größten Verdienste von Alfred Seppelt für das Berliner Schach sprechen und dabei meine persönliche Erinnerung dazu einfließen lassen:
1. Berliner Sommer
Der von Alfred Seppelt organisierte Berliner Schachsommer war seinerzeit das größte in einer Gruppe gespielte Open Europas. Mehr als 500 Spieler tummelten sich von Anfänger bis Weltspitze in diesem Turnier. Das erste Mal spielte ich bei dem Turnier im Hotel Intercontinental mit. Das war schon eine besondere Atmosphäre: Der Eingang des Grand Hotels war zu benutzen um zum Turnier zu gelangen. Unglaublich viele bekannte Schachspieler inklusive einiger der Polgar Schwestern. Und die endlosen Reihen von Turnierbrettern. Wenn man ein paarmal verloren hatte musste man weiter hinten spielen in separaten Räumen. Kämpfte man sich empor so spielte man wieder im großen Turniersaal an dessen Wände dutzende Flaggen der teilnehmenden Nationen hingen. Mit etwas Glück kam man weiter nach vorne und wenn ich mich recht erinnere waren die ersten hundert Bretter Holzbretter im Bundesligaformat und für gewöhnlich waren dort vorne auch fast nur noch Titelträger anzutreffen (Fide, Internationale und Großmeister).
Eine Partie blieb mir besonders im Gedächtnis. In einem Jahr spielte ich aufgrund eines glücklichen Loses gleich am Anfang des Turnieres auf der Empore (die ersten maximal 5 Bretter waren ganz vorne, mit einer Kordel abgesperrt) gegen den Seniorenweltmeister Klovans aus Lettland. Er erinnerte mich ungemein an Luc Picard, dem Captain aus der Fernsehserie Star Trek. Ich verlor die Partie nach einem wilden Abspiel.
Danach kamen einige namhafte Großmeister herbei und diskutierten mit uns ein paar entscheidende Stellen aus der Partie. Ich war erstaunt, dass ich etwas zustande gebracht, was scheinbar interessant genug war von einem Großmeister lebhaft diskutiert zu werden. Es war für mich ein bedeutender Moment in meinem Schachleben. Und so wird es vielen anderen Schachspielern ergangen sein, die beim Berliner Sommer entscheidende und freudige Momente erlebt haben.
2. Die Wiedervereinigung der Berliner Spielbetriebe im Jahre 1990
Im Jahre 1990 war die Berliner Mannschaftsmeisterschaft im Schach die erste Sportliga in der Stadt die wieder zusammen spielte. Dies wurde von Alfred Seppelt zusammen mit dem Ost-Berliner Kollegen Gerhard Mietzelfeldt, dem damaligen Vorsitzenden des sog. Bezirksfachausschuss (BFA) Schach, forciert.
Dies führte zu einer Reihe von interessanten Mannschaftskämpfen und einem schnelleren Kennenlernen der Ost-Berliner Bezirke als es sonst möglich gewesen wäre.
Einer der ersten Kämpfe war gegen den gerade neu organisierten Verein Chemie Weissensee.
Diese hatten scheinbar damit zu kämpfen die Ausstattung komplett zu haben und verfuhren nach dem Prinzip: Ein Figurenset ist vollständig, solange alle Figuren dabei sind, auch wenn diese aus verschiedenen Spielen stammten.
Wir verloren in dem Kampf eine Partie, weil unserer Spieler ein Bauernopfer bringen wollte, aber erst nach Annahme des Gegners bemerkte, dass die knubbelige Figur die er hergab ein Turm und kein Bauer war!
Diese erste BMM, die gemeinsam durchgeführt wurde, war gut für das Zusammenwachsen des schachlichen Berlins.
3. Das Politikerschachturnier
Das Politikerturnier wurde von Alfred Seppelt das erste Mal im Jahre 1979 organisiert. Im Laufe der Zeit nahmen viele prominente Politiker aus den verschiedenen Parteien daran teil. Genannt seien z.B. Richard von Weizsäcker (CDU), Hans-Christian Ströbele (Die Grünen), Wolfgang Schäuble (CDU), Otto Schily (SPD), Michael Müller (SPD, Bürgermeister Berlins), Hans-Jürgen Beerfeltz (ehem. Bundesgeschäftsführer der FDP), Diana Skibbe (Die Linke) und viele mehr.
Teilnahme-Voraussetzung war ein Mandat im Bundestag, Landtag oder auf Bezirks-/Kreisebene. Zusätzlich wurden Vertreter aus Botschaften und von verschiedenen weiteren Organisationen eingeladen (z.B. vom Bundes- und Landesrechnungshof, etc.).
Dieses Turnier schaffte eine Aufmerksamkeit für unsere Sportart auf politischer Ebene, aber auch in der Breite, da die Presse darüber regelmäßig berichtete.
Warum schreibe ich in der Vergangenheitsform?
Es besteht die Gefahr, dass das Turnier nicht mehr zustande kommt. Das Jahr 2010 war eine Art offizielle Übergabe. Alfred Seppelt übergab das Turnier in die Verantwortung des Berliner Schachverbandes. Im Jahre 2011 fand es noch einmal statt, wahrscheinlich noch mit Vorarbeit von Alfred Seppelt. Seitdem fand das Turnier nicht mehr statt.
Dies ist mehr als bedauerlich. Das Politikerturnier ist nicht nur medienwirksam für das Schach, es ist auch ein Zeichen für die parteienübergreifende Zusammenkunft, sich im Rahmen von Regeln zu messen. Es ist ein zutiefst demokratisches Turnier, ein Zeichen unserer Zivilgesellschaft.
Es sollte für unseren Verein zumindest die Verantwortung bestehen, zu jeder Hauptversammlung des Berliner Schachverbandes auf das Politikerturnier hinzuweisen und die Organisation eines solchen zu forcieren.
Der Berliner Schachverband und sein Präsident Carsten Schmidt sind stark an der erneuten Ausrichtung des Turniers interessiert und arbeiten auch daran. Vielleicht braucht es aber einen größeren Vorlauf als bisher gedacht. Alfred Seppelt erzählte, dass die organisatorischen Vorbereitungen einer solchen Veranstaltung ca. 1 Jahr dauern. Eventuell lässt sich dieser Vorlauf etwas komprimieren, aber die Einschätzung von Alfred Seppelt sollte man sich zu Herzen nehmen und anstatt kurzfristigen Anläufen lieber einen langfristigen Plan entwickeln, damit das Turnier wieder aufleben kann.
Weitere Links:
Nachruf auf Chessbase
http://de.chessbase.com/post/zum-tod-von-alfred-seppelt
(Mit Interview aus dem Jahre 2003 im wmv Format)
Nachruf beim Berliner Schachverband
http://www.berlinerschachverband.de/entry/alfred-seppelt.html
20. Politikerturnier
http://de.chessbase.com/post/ulf-von-hael-gewinnt-20-politikerschachturnier
Berichte auf unserer Webseite über das Politikerturnier
20. Politikerturnier und Abschied von der Organisation
http://www.sglasker.de/DesktopDefault.aspx?content=article&ID=331&mid=896
17. Politikerturnier
http://www.sglasker.de/DesktopDefault.aspx?content=article&ID=101&mid=896